Öfter mal raus aus der Komfortzone? Auf ins Mikroabenteuer!
Das Five-to-nine-Abenteuer
Die meisten Menschen unternehmen selten etwas wirklich Abenteuerliches, und der Brite Alastair Humphreys, der Erfinder des Mikroabenteuers, findet das skandalös. Nachdem er jahrelang die größten Abenteuer weltweit erlebt hatte – man denke nur an die Radtour von Pakistan nach China oder die Durchquerung Islands von Nord nach Süd zu Fuß – kehrte Humphreys nach Großbritannien zurück, um die Menschen zu ermutigen, mehr Abenteuer in ihr hektisches Leben einzubauen, aber auf die kleinste und einfachste Art und Weise. Er nannte seine Idee Mikroabenteuer: ein kurzes, billiges und lokales Abenteuer, das einen aus dem Alltagstrott herausholt. Ein kleines Abenteuer, dem man mit derselben Begeisterung und Neugier begegnet wie einem großen Abenteuer. Laut Humphreys verändern große und kleine Abenteuer die Art und Weise, wie man die Welt sieht und erlebt. Man lernt, der Welt mit mehr Offenheit, Begeisterung und Neugierde zu begegnen. Je mehr Abenteuer man in sein Leben einbaut, desto besser. Und die können auch klein sein: Wir arbeiten von 09.00 bis 17.00 Uhr, also haben wir von 17.00 bis 09.00 Uhr Zeit für ein Mikroabenteuer
„Ein Mikroabenteuer ist ein kleines Abenteuer, das man mit derselben Begeisterung und Neugier angeht wie ein großes Abenteuer. So lernt man, der Welt mit mehr Offenheit, Begeisterung und Neugier zu begegnen.“
Übernachtung im Gebüsch
Mathias hat schon Mikroabenteuer erlebt, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Seine Liebe zur Natur und zum Abenteuer entdeckte er im Alter von sieben Jahren bei den Pfadfindern. „Draußen sein, auf Entdeckungsreise gehen, im Zelt schlafen und Feuer machen, das gehörte einfach dazu. Dort lernte ich Bushcrafting (Überleben in der Natur mit möglichst wenigen Hilfsmitteln, Anm. d. Red.) und essbare Pflanzen kennen, was mich später zum Biologiestudium inspirierte. Als ich nach dem Studium bei der Naturschutzorganisation „Natuurpunt“ zu arbeiten begann, die sich durch ehrenamtliche Arbeit für den Naturschutz einsetzt, ging ich davon aus, dass ich selbst viel draußen sein würde. Leider sah die Realität anders aus und ich saß nur am Schreibtisch. In dieser Zeit erlebte ich mein erstes richtiges Mikroabenteuer, dem ich auch den Namen gab. Raus aus dem Arbeitsalltag von 09.00 bis 17.00 Uhr und rein in ein Mikroabenteuer von 17.00 bis 09.00 Uhr. Zusammen mit einem Freund hatten wir die Idee, im Hafen von Antwerpen auf einem Binnenschiff mitzufahren. Wir wollten einfach mal sehen, wo wir landen würden, die Nacht in einem Zelt am Fluss verbringen und am nächsten Tag per Anhalter zurück in die Stadt und ins Büro fahren. Dort erfuhren wir aber, dass alle Schiffe zurück in die Stadt fuhren. Also übernachteten wir in einem Gebüsch am Kai, mitten im Industriegebiet. Es war der einzige grüne Fleck in der Gegend, direkt an der Schelde. Nicht das, was wir uns vorgestellt hatten, aber nicht weniger abenteuerlich!“.
‘Je mehr Abenteuer du in dein Leben einbaust, desto besser.’
Die Grenzen der eigenen Komfortzone suchen – und am besten überschreiten
Genau darum geht es laut Mathias bei Mikroabenteuern: dem Alltagstrott zu entkommen und aus der Routine auszubrechen. "Der Ausbruch aus der Routine geschieht, indem man die Grenzen der eigenen Komfortzone auslotet. Das mag für jeden etwas anderes sein: Für mich ist es, im Gestrüpp eines Industriehafens zu übernachten oder mit einem Packraft auf dem Wasser zu fahren und eine Nacht in der Wildnis zu verbringen. Für jemand anderen ist es zum Beispiel, mit einem SUP-Board die Küste der Watteninseln zu erkunden oder mit dem Fahrrad von einer Seite des Landes zur anderen zu fahren. Man muss für sich selbst entscheiden, was man unter welchen Umständen will und was nicht: Was benötigt man, um dem Alltagstrott zu entfliehen und wirklich auszubrechen, aber auf die kleinstmögliche Art und Weise?“
Sich selbst innerhalb der Grenzen einer 9-to-5-Arbeitswoche herausfordern
Wie Humphreys hat auch Mathias viele großartige Reisen unternommen. Er lernte in Tansania Feuer zu machen, überlebte eine Woche in einem Wald in Rumänien und wanderte in den Bergen Nepals. Was aber unterscheidet ein Mikroabenteuer von einem Makroabenteuer? Warum eine Nacht wild im Wald zelten, statt ein Wochenende wegzufahren? "Der große Unterschied ist, dass ein Mikroabenteuer in den Zeitrahmen einer Arbeitswoche (09.00 bis 17.00 Uhr) passt. Kleine Abenteuer, aber große Erlebnisse. Sich selbst herausfordern, um mit minimalen Mitteln ein Wow-Gefühl zu erreichen. Um wirklich aus dem Alltagstrott auszubrechen. Denn ein Makroabenteuer, ein Urlaub, besteht eigentlich aus einer Reihe von Mikroabenteuern, die sich aneinanderreihen. So kommt man wieder in eine gewisse Routine. “ Ein weiterer Aspekt, der Mikroabenteuer kennzeichnet, ist das Mindset, erklärt Mathias. Manchmal läuft ein Mikroabenteuer nicht wie geplant und man muss flexibel sein. "Wenn man mit der Einstellung herangeht, ein tolles Abenteuer zu erleben, dann wird es immer gelingen, egal unter welchen Umständen. Kürzlich wollte ich Packrafting auf einem See machen, aber als ich dort ankam, war der See zugefroren. Dann muss man sich eben etwas anderes einfallen lassen, denn nach Hause fahren ist natürlich keine Option. Schließlich bin ich zu einer anderen Stelle gewandert und habe mit dem Packraft einen Teil des Flusses überquert, der nicht zugefroren war. Das Abenteuer liegt manchmal im Unerwarteten.“
„Wenn man die Natur so hautnah erlebt, wenn man wirklich in sie eintaucht, anstatt sie nur zu betrachten, verändert sich die Perspektive.“
Eine magische Perspektive
Neben den Touren, die er mit seinem Unternehmen Fagus Outdoor unternimmt, nimmt sich Mathias auch Zeit für seine eigenen Mikroabenteuern. Packrafting oder Bushcrafting ist für ihn die beste Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen. „Meine eigenen Mikroabenteuer sind etwas anders: primitiver und herausfordernder, weil ich die Grenzen meiner eigenen Komfortzone austeste. Ich habe sie inzwischen ziemlich weit ausgedehnt. Das bedeutet, dass ich wildere Flüsse befahre, längere Wanderungen unter kälteren oder intensiveren Bedingungen unternehme.” Mathias unternimmt unter anderem eine mehrtägige Schneeschuhwanderung oder baut sich irgendwo in den Ardennen einen Unterschlupf, wo er essbare Pflanzen sammelt und über einem selbstgemachten Feuer zu einer Mahlzeit zubereitet. Auf diesen Touren erlebt er ein optimales Freiheitsgefühl. „Wenn man die Natur so hautnah erlebt, wenn man wirklich in sie eintaucht, anstatt sie nur zu betrachten, verändert sich die Perspektive. Man ist so sehr im Moment – die Erde unter den Füßen, das Feuer, das man mit viel Mühe selbst gemacht hat – dass alles andere in den Hintergrund tritt. In diesem Moment fühlt man sich ganz mit der Natur verbunden, und das ist wirklich magisch.“